Rede zum Haushalt 2010 6. Mai 201018. Februar 2016 Rede zum Haushalt 2010 der Fraktionsvorsitzenden Claudia Schlipf-Traup gehalten in der Gemeindevertretung am 6.5.2010 Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, die Aufstellung des Haushaltsentwurfs durch die Verwaltung und die intensiven Haushaltsberatungen liegen nun schon einige Wochen zurück. Der Sitzungsmarathon und die damit verbundene Arbeitsintensivität sind fast in Vergessenheit geraten. Zu Beginn möchte ich dem Gemeindevorstand und der Verwaltung für die ausführlichen Erläuterungen, den Vorbericht im Haushaltsbuch und für die Bereitschaft danken, alle Fragen der Fraktionen, egal wie bedeutend sie sind, ausführlich zu beantworten. Der Haushaltsplan der Gemeinde Seeheim-Jugenheim wird mit einem Defizit verabschiedet. Seit ich Mitglied der Gemeindevertretung bin, trifft diese Aussage fast kontinuierlich auf jeden Haushaltsplan zu. Ein ausgeglichener Haushalt im Jahresplan oder im Nachtrag war in diesen neun Jahren die Ausnahme. Die Situation 2010 unterscheidet sich dennoch gravierend von den bisherigen defizitären Haushalten: Das Defizit in Höhe von 3,8 Millionen Euro im Ergebnishaushalt ist mehr als doppelt so hoch wie das größte der Vergangenheit. Im Ergebnis des Vorjahres klafft bereits ein großes Defizit. Zuvor konnte trotz eines defizitären Haushaltsplans immer ein positives Jahresergebnis erwirtschaftet werden. Es erscheint bei den momentanen Prognosen und Steuerschätzungen unmöglich, dass der Haushalt bis 2015 wieder ausgeglichen werden kann. Die Beteiligung der Gemeinde an Projekten anderer Träger in Seeheim-Jugenheim wie die Dreifeldsporthalle oder der Umgestaltung der Ortsdurchfahrt Jugenheim ist nur über Kreditaufnahmen möglich und ist abhängig von der Zustimmung der Aufsichtsbehörden. Nur scheinbar tröstend ist, dass Seeheim-Jugenheim 2010 mit einem defizitären Haushalt keine Besonderheit im Vergleich zu anderen Kommunen darstellt, sondern völlig im Trend liegt. Der Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum der Gemeindevertretung ist sehr eng, alles muss unter dem Aspekt der Finanzierbarkeit genau betrachtet werden. Steuerreformen der Bundesregierung müssen in Frage gestellt werden, wenn sie dazu führen, dass die Kommunen nicht mehr ausreichend Geld haben, ihre Pflichtaufgaben zu erfüllen und in ihrer kommunalen Selbstverwaltung stark eingeschränkt werden. In den Städten und Gemeinden spielt sich das Leben ab, hier ist Politik und Demokratie direkt erlebbar für die Menschen, hier muss Handlungs- und Gestaltungsspielraum bleiben. Unsere Anerkennung am Haushaltsentwurf 2010 findet, dass nicht als Erstes versucht wurde, das Defizit durch eine Erhöhung von Gebühren oder Steuern abzumildern; sondern dass Einsparungen bei den Aufwendungen um 870 000 Euro gegenüber dem Vorjahr vorgenommen wurden. Wie das Haushaltssicherungskonzept zeigt, werden wir in Zukunft Steuer- und Gebührenerhöhungen nicht vermeiden können. Allerdings muss genau abgewogen werden, an welchen Stellen dies sinnvoll ist. Unvorhersehbare oder unabwendbare Maßnahmen wie die Sanierung der Kirche in Ober-Beerbach wegen eines baufälligen Dachstuhles, der Steinschlag im Balkhäuser Tal oder die unendliche Geschichte der Lärmschutzwand am Schwimmbadparkplatz belasten die Gemeindefinanzen zusätzlich. Die einzigen beeinflussbaren größeren Investitionen im Jahr 2010 sind die grundhafte Erneuerung der Frankensteiner Straße in Malchen, der bereits 2009 begonnene Bau der Buswendeschleife in Balkhausen und die Anschaffung eines Löschgruppenfahrzeuges für die Feuerwehr Jugenheim. Vieles wäre zudem wünschenswert, ist aber finanziell für die Gemeinde nicht leistbar. Die seit Jahren nötigen energetischen Sanierungen der Kindertagesstätten können erfreulicher Weise im Rahmen der Konjunkturprogramme von Bund und Land umgesetzt werden. Sie sind jedoch keine Geschenke, sondern belasten die Gemeindefinanzen künftig direkt durch Tilgung und Zinszahlungen und indirekt über eine geringere Finanzausstattung von Bund und Land. Erfreulich ist, dass 2011 endlich mit der Umgestaltung der Straßenbahnhaltestellen auf Niederflurniveau begonnen werden soll und die unsägliche Diskussion um diese Maßnahme beendet ist. Dass die HEAG einen größeren Kostenanteil übernimmt, als ursprünglich erwartet, kommt positiv hinzu. Leider enthält der Haushalt aber keine weiteren Maßnahmen, die der Zunahme der Zahl an hochaltrigen Menschen Rechnung tragen. Klima- und Umweltschutz sind Bereiche, die in der Gemeinde zur Zeit nur am Rande behandelt werden, sie scheinen kein Gewicht zu haben. Anfragen und Beschlüsse zu diesem Thema, z.B. der Prüfauftrag, gemeindeeigene Dächer für Fotovoltaikanlagen zu identifizieren, oder die Umrüstung von gemeindeeigenen Fahrzeugen auf Flüssiggas zu prüfen und ähnliches, brauchen sehr, sehr lange bis sie umgesetzt oder beantwortet sind. Wann werden endlich Ergebnisse zum Anrufsammeltaxi und midkom vorgelegt? Kinderbetreuung, Familienfreundlichkeit und andere soziale Projekte spielen in der politischen Diskussion ein Schattendasein. Innerhalb der Gemeindevertretung hat sich eine Kultur des Vertagens eingeschlichen. Tagungsordnungspunkte werden sehr häufig vertagt und Entscheidungen aufgeschoben. So manche Kosten für Arbeitszeit der Verwaltung und Sitzungsgelder der Gemeindevertreter ließen sich vielleicht durch mehr Entscheidungsbereitschaft einsparen. Mangelnde Entscheidungsfähigkeit, Angst, eine klare Position zu beziehen und diese in der Bevölkerung zu vertreten, zeigt sich in der unendlichen Geschichte um den Anteil der Gemeinde am Bau der Dreifeldhalle. Der Bau eines Mehrzweckraumes in der Halle auf Kosten der Gemeinde bringt uns an die Grenze des finanziell Machbaren. Keine der anderen Parteien hatte den Mut klar zu sagen, dass sich die Gemeinde aufgrund der Haushaltssituation weder die Investitionskosten noch die folgenden Unterhaltungskosten für zusätzliche 300 Tribünenplätze leisten kann. Jeder steht an der Tür der Entscheidung, hält sich bedeckt und sagt: „Nach Ihnen“ bis die Tür am Ende zufällt und der Kreis möglicherweise die Halle ohne eine Beteiligung der Gemeinde baut. Ohne die Initiative der Grünen hätten wir heute wahrscheinlich immer noch keine Entscheidung und die parteipolitischen Spielereien würden andauern. War dabei die Rolle des Bürgermeisters hilfreich? Er hat die Strategie verfolgt, mit einer Ratenzahlung an den Kreis für den Gemeindeanteil die Genehmigungspflicht für einen Kredit durch die Kommunalaufsicht zu umgehen. Diese Strategie hätte nach Meinung der Grünen schon viel früher aufgegeben werden müssen. Wenn die Kommunalaufsicht früher richtig eingebunden und die haushaltsrechtlichen Bedingungen und Probleme geklärt worden wären, hätten sich manche der Akteure vielleicht nicht an Wünschträumen sondern an Realitäten orientiert. Der Gemeindevorstand hätte rechtzeitig einen umsetzbaren Vertrag mit dem Kreis aushandeln können, um ihn der Gemeindevertretung zur Genehmigung vorzulegen. Nun drängt die Zeit, so dass das Präsidium zum Landrat gehen soll, weil die Aufgabe des Gemeindevorstandes, nämlich die Finanzierbarkeit des Gemeindeanteils zu klären, nicht erledigt ist. Die Realitäten holen uns auch bei der Ortsdurchfahrt Jugenheim ein. Aufgrund der Finanzsituation des Landes werden die Prioritäten dort anders gesetzt und es scheint momentan in den Sternen zu stehen, wann die Umgestaltung der Ortsdurchfahrt umgesetzt wird. Für das Ortsbild von Jugenheim und die Bewohnerschaft ist das sehr schade, dem Haushalt bringt es vorerst eine gewisse Entlastung. Ein Haushalt mit einem derartigen Defizit ist unerfreulich, dennoch werden wir ihm mit den beschlossenen Änderungen und dem Haushaltssicherungskonzept zustimmen. Die einzelnen Maßnahmen des Haushaltssicherungskonzeptes müssen nach unserer Meinung aber im Detail diskutiert werden. Eine Erhöhung der Kindertagesstättengebühren wäre ein falsches Signal für junge Familien und eine familienfreundliche Gemeinde. Ob den Gewerbetreibenden eine Erhöhung der Gewerbesteuer zuzumuten ist, muss genau überdacht werden. Die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert sich nicht nur aufgrund der wirtschaftlichen Gesamtsituation. Der demografische Wandel stellt uns vor große Herausforderungen. Die Gemeinde darf sich nicht vorrangig mit großen Bauwerken und Fassaden beschäftigen, sondern muss auch Konzepte für die Qualität des Innenlebens entwickeln. Wir Grünen werden uns dafür einsetzen, dass die Lebensbedingungen für Menschen aus allen Generationen und allen sozialen Schichten in Seeheim-Jugenheim lebenswert sind.