Haushaltsrede zur Sitzung der Gemeindevertretung am 17.12.2015 19. Dezember 201518. März 2016 Gehalten von unserer Fraktionsvorsitzenden Claudia Schlipf-Traup: Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren, Seeheim-Jugenheim ist eine Gemeinde mit sehr hoher Lebensqualität. Wir haben ein sehr lebendiges Gemeinde- und Vereinsleben. Das wird einerseits von den engagierten Einwohnerinnen und Einwohnern gestaltet, andererseits durch die Gemeinde und den Kreis ermöglicht mithilfe zahlreicher Hallen, Bürger- und Gemeindehäusern, die sie kostenlos zur Verfügung stellen. Für Familien gibt es gute Schulen und die Gemeinde finanziert ein großes, qualitativ hochwertiges Betreuungsangebot ab dem Kleinkindalter, das ständig den Bedarfen der Familien angepasst wird, wie heute mit der Erweiterung der Öffnungszeiten des Laurentiuskindergartens. So haben wir in den letzten Jahren viel investiert, um die U-3-Betreuung auszubauen und haben nun hohe Ausgaben, um den laufenden Betrieb zu finanzieren. Allein für die Förderung von Kindern und Jugendlichen sind im Ergebnishaushalt ca. 4,2 Millionen € Ausgaben veranschlagt, von denen nur ca. 1 Million durch Zuschüsse von Kreis, Land oder Elternbeiträgen gedeckt sind. Mit der Straßenbahn, den Bussen, dem Anrufsammeltaxi und dem Bahnhof Bickenbach ist die Anbindung an den Öffentlichen Personennahverkehr gut. Im Sommer ist das Schwimmbad ein zentraler Punkt für Menschen jeden Alters, das den Haushalt aber mit ca. 500.000 € im Jahr belastet. Wir haben in fast allen Ortsteilen eine eigene Feuerwehr, um die gesetzlichen Einsatzfristen im Brandfall zu sichern. Dies schlägt im Ergebnishaushalt mit gut 400 000 € für die laufenden Kosten zu Buche und im Finanzhaushalt müssen knapp 400 000 € aufgebracht werden, um die Fahrzeuge, Geräte und Gebäude sicher, einsatzbereit und auf einem guten technischen Standard zu halten. Sehr lobenswert ist, dass die Feuerwehr sehr engagiert ist, steigenden Anforderungen gerecht zu werden und gleichzeitig nach kostengünstigen Lösungen zu suchen, wie z.B. mit der interkommunalen Zusammenarbeit bei der Ausrüstungswartung oder Zuschüssen des Feuerwehrvereins zur Fahrzeugbeschaffung. Neben vielen anderen sind die genannten Aufgaben und Dienstleistungen, die für die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde erbracht werden, auch mit hohen Ausgaben verbunden. Ein weiterer wichtiger Anteil an der hohen Lebensqualität in der Gemeinde: Rund um die bebauten Ortslagen gibt es wertvolle Naturräume, die vielfältigen Pflanzen und Tieren Lebensraum bieten, aber auch sehr bedeutend als Naherholungsgebiete für alle Einwohnerinnen und Einwohner in der Gemeinde sind. Um diese Naturräume zu erreichen, muss man nicht zuerst große Industrie- und Gewerbegebiete durchqueren. Diese Qualität macht die Gemeinde zu einem sehr attraktiven Wohnort mit hoher Lebensqualität, sie hat natürlich den Preis von geringeren Gewerbesteuereinnahmen. Wie unkalkulierbar aber Gewerbesteuereinnahmen für den gemeindlichen Haushalt sind, erleben wir besonders im noch laufenden Haushaltsjahr. Der Ansatz Gewerbesteuereinnahmen im Haushaltsplan 2015 ist mit 3,35 Mio € veranschlagt, mit Einbringung des Nachtragshaushaltes Ende Oktober sind 650 000€ Gewerbesteuer weniger angesetzt und im Laufe der Beratungen bis heute brechen weitere 180 000€ weg. Dass Gewerbesteuereinnahmen keine Verlässlichkeit für Haushalte darstellen, mussten in den letzten Jahren auch die Städte Pfungstadt und Griesheim feststellen, denn dort wurden die Grundsteuerhebesätze bereits auf 500% und 660% gesetzt, als es Einbrüche bei den Gewerbesteuereinnahmen gab obwohl beide Städte große Gewerbegebiete haben. Dass Bund und Land die Kommunen nicht mit ausreichend finanziellen Mitteln ausstatten, um ihre Aufgaben in guter Qualität erfüllen zu können, gleichzeitig aber immer neue Aufgaben an die Kommunen übertragen und höhere Standards setzen, ist ein großes Dilemma für die Gemeinde. Es hat dazu geführt, dass wir seit 2008 keinen ausgeglichenen Haushalt mehr haben und sukzessive einen Schuldenberg allein aus dem Ergebnishauhalt von über 6,5 Millionen € angehäuft haben, den wir mit Kassenkrediten finanzieren müssen. Zu diesem Schuldenberg kommen die Kredite aus Investitionen hinzu, die bei ca. 8 Mio € liegen. Zum Glück sind die Zinssätze momentan sowohl bei den Kassen- als auch bei den Investitionskrediten sehr niedrig. Steigen die Zinssätze in Zukunft, stellen die hohen Kassenkredite ein großes Haushaltsrisiko dar. Weitere Haushaltsrisiken bilden die anstehende Entschlammung des Waldweihers und die Bachsanierung in der Schlossstraße. Im Haushalt 2016 stehen lediglich Planungskosten für die Entschlammung des Waldweihers, die folgende Umsetzung kann bis zu 1,5 Mio € Kosten verursachen, die in den nächsten Jahren im Plan noch nicht berücksichtigt sind. Ähnlich verhält es sich mit der Bachsanierung in der Schlossstraße, es ist kein Betrag eingeplant, erhebliche Kosten sind zu erwarten. Um aus der schlechten Finanzsituation zu kommen, wurden in den letzten Jahren verschiedenste Maßnahmen getroffen, die Ausgaben zu reduzieren und höhere Einnahmen zu erzielen. Manche dieser Maßnahmen können nicht mehr fortgesetzt werden. Die weitere Reduzierung von Personal in der Gemeinde würde zu Leistungseinschränkungen für die Bürgerinnen und Bürger führen und wäre verantwortungslos, da die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch Gesetzesänderungen ständig neue Aufgaben hinzu bekommen und somit die Grenze der Belastbarkeit erreicht ist. Auch Einsparungen bei den Sachausgaben haben zu einem maroden Zustand vieler Straßen und Gemeinde eigener Gebäude geführt. Weitere Einsparungen in diesen Bereichen – wie sie von der SPD gefordert werden – führen am Ende nur zu noch höheren Kosten, zumal die SPD auch keine konkreten Einsparungsvorschläge machen kann. Durch die Einführung der Zweitwohnsitzsteuer wurden nicht die erhofften Einnahmen erzielt. Die Auswirkungen der Einführung von Parkgebühren und der Erhöhung der Friedhofsgebühren gilt es abzuwarten, doch auch hier sind keine nennenswerten Entlastungen des Haushalts zu erwarten. Der Finanzplanungserlass des Hessischen Innenministeriums schreibt als Voraussetzung für die Genehmigung des Haushaltes vor, dass die Gemeinde spätestens zum Haushaltsjahr 2017 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen hat und bereits im Haushaltsplan 2016 klar darzulegen ist, wie dieses Ziel erreicht werden kann. Deshalb sehen wir uns gezwungen, den Hebesatz der Grundsteuer auf 500% anzuheben, zumal die Konsolidierungsmaßnahmen in den vergangenen Jahren zu keinem befriedigenden Ergebnis geführt haben. So können wir das geplante Haushaltsdefizit auf 44 000 € reduzieren. Ohne diesen Schritt müssten wir mit einem Haushaltsdefizit von ca. 880 000 € rechnen. Wir bedauern, dass die Politik der Bundesregierung Steuererhöhungen z.B. für Besserverdienende seit Jahren verweigert und dadurch die Kommunen zu Steuererhöhungen zwingt, die jeden Bürger treffen. Neben dem Ausgleich des aktuellen Haushaltes muss die Gemeinde aber auch ihre Schulden abbauen, Puffer für Haushaltsrisiken einbauen und Handlungsspielräume für dringend notwendige Investitionen schaffen. Das sind in erster Linie die Herstellung von Fußwegen, die Erneuerung von Straßen und Sanierung oder Neubau der Sport-und Kulturhalle in Seeheim, für die im gesamten Planungszeitraum bis 2019 noch keine Investitionsmittel vorgesehen sind. Handlungsspielräume müssen uns auch bleiben, um Menschen, egal ob mit oder ohne Migrationshintergrund, die keine Wohnung auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt finden, einen angemessenen Wohnraum bieten zu können. Außerdem gibt es im sozialen Bereich vielfältige Aufgaben, der sich die Gemeinde auch in Zukunft annehmen muss, für die sie finanzielle Spielräume braucht, die nicht alleine ehrenamtlich geleistet werden können. Das sind z.B. die Kinderbetreuung, die Verbesserung der Teilhabemöglichkeiten von Menschen mit Beeinträchtigungen, die Integration der Flüchtlinge, der Erhalt der Lebensqualität der immer älter werdenden Menschen. Deshalb werden wir dem Nachtragshaushalt 2015, dem Haushalt 2016 und der Erhöhung der Grundsteuer auf 500% zustimmen. Den vielen Menschen, die sich in der Gemeinde ehrenamtlich engagieren, möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich danken: Den Feuerwehrleuten, die uns nicht nur im Brandfall helfen, sondern insbesondere in letzter Zeit intensiv in die Versorgung der Flüchtlinge in den Notunterkünften eingebunden sind. Auch Dank den Sanitätsdiensten. Den vielen Helferinnen und Helfern im Helferkreis Asyl, deren Einsatz es zu verdanken ist, dass die Flüchtlinge in unserer Gemeinde bei Behörden, der medizinischen Versorgung, beim Erlernen der Sprache, beim Schul- und Kindergartenbesuch und vielem mehr Unterstützung erfahren. Sie stehen für Weltoffenheit und für den Geist in der Gemeinde, aus dem ich erkenne: Wir schaffen das! Wir bewältigen die wirklich nicht einfache Herausforderung. Den Naturschutzverbänden, die sich mit viel Sachwissen und harter Handarbeit für den Erhalt und die Schaffung vieler Biotope einsetzen und somit dem Artensterben auf der Welt entgegen wirken. Den zahlreichen Vereinen und Initiativen, die sich z.B. für Sport, Kultur und ein soziales Miteinander einsetzen, die ich nicht alle im Einzelnen aufzählen kann. Danken möchte ich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung und dem Bürgermeister: Die diesen Haushalt fristgerecht und mit vielen Überstunden aufgestellt haben. Die täglich für die Belange der Gemeinde und ihrer Bürgerinnen und Bürger arbeiten und viele personelle Engpässe auffangen müssen. Die sich für eine menschenwürdige Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge sowohl in den Gemeinschaftsunterkünften als auch in den Notunterkünften engagieren. Auch sie tragen einen erheblichen Anteil an der Willkommenskultur in unserer Gemeinde bei. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.