Rede zum Haushalt 2011

Rede zum Haushalt 2011 der Fraktionsvorsitzenden Claudia Schlipf-Traup
gehalten in der Gemeindevertretung am 17.2.2011

Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrte Damen und Herren,

zu Beginn möchte ich dem Gemeindevorstand und der Verwaltung für die ausführlichen Erläuterungen, den Vorbericht und für die abendlichen Überstunden bei den Fraktionssitzungen zur Klärung von Fragen danken. Auch den anderen Fraktionen für die zügigen und sachlichen Haushaltsberatungen ein Dankeschön.

Die Reihe setzt sich wie in fast allen letzten Jahren fort:

Der Haushaltsplan der Gemeinde Seeheim-Jugenheim wird mit einem Defizit verabschiedet. Seeheim-Jugenheim reiht sich damit zwischen sehr, sehr viele Kommunen ein, die auch einen defizitären Haushalt haben.

Mit einem Fehlbetrag von knapp 3 Millionen Euro bei einem Gesamtvolumen von 22,6 Millionen Euro im Ergebnishaushalt beträgt das Defizit 13 %.

D.h. 13 % der laufenden Kosten kann die Gemeinde nicht aus eigenen Mitteln bezahlen. Das Rechnungsergebnis des letzten Jahres wird ebenso ein Defizit aufweisen. Wir leben also über unsere Verhältnisse. Aber die Gemeinden, nicht nur Seeheim-Jugenheim, leben in schlechten finanziellen Verhältnissen. Die Steuerreformen von Bund und Ländern, die Finanz- und Wirtschaftkrise in den letzten Jahren und ab diesem Jahr zusätzlich die Kompensationsumlage durch das Finanzausgleichsgesetz des Landes belasten die Einnahmesituation der Gemeinde enorm.

Die FDP-CDU Regierungen im Land und Bund proklamieren zwar immer wieder Finanzhilfen für die Gemeinden – aktuell die Hilfe beim Stopfen der Schlaglöcher auf den Straßen – nehmen das Geld den Kommunen an anderer Stelle dann wieder weg, z.B. durch die Kompensationsumlage, und bürden den Kommunen gleichzeitig neue Ausgaben auf, wie beispielsweise die Einführung des BOS-Funks für die Feuerwehr. Aus eigener Kraft kann die Gemeinde nicht aus dieser finanziellen Misere kommen. Strukturelle Hilfen von Bund und Land sind dringend erforderlich, um ein Ausbluten der Gemeinden zu verhindern.

Für 2011 bleibt uns kaum mehr, als die unabweisbaren Investitionen zu tätigen, der Gestaltungsspielraum ist äußerst gering. Die größte Investition ist mit 340 000 Euro die Sanierung des Quattelbaches. Dann folgt die Umrüstung auf BOS-Funk bei der Feuerwehr mit 180 000 Euro, vom Land Hessen verordnet. Ob sie sinnvoll ist, wird selbst von den Anwendern in Frage gestellt. Größere Investitionen sind außerdem die Anschaffung eines Löschfahrzeuges für die Feuerwehr Ober-Beerbach und die grundhafte Erneuerung der Frankensteiner Straße in Malchen. Andere sanierungsbedürftige Straßen müssen mit notdürftigen Reparaturen der Schlaglöcher noch einige Jahre auskommen.

Kosten sparen und gleichzeitig die Umwelt schützen, kann die Gemeinde durch die gelungene energetischen Sanierungen der Kindertagesstätten Schuldorf, Windrad und Jugenheim mit Hilfe der Konjunkturprogramme. Selbst wenn Zinsen und Tilgung im Haushalt jährlich mit 40 000 Euro zu Buche schlagen, und das Land das Geld, das es der Gemeinde für die Sanierung der Kindertagesstätten zur Verfügung gestellt hat, an anderer Stelle den Kommunen wieder weg nimmt, so hat die Gemeinde mit der Sanierung viel gewonnen und in die Zukunft investiert. Außerordentlich zu loben ist einerseits das Elternengagement in der Kita Windrad für die Finanzierung eines neuen Fußbodens, da das Sanierungsbudget der Gemeinde ausgeschöpft war. Andererseits bleibt ein fahler Beigeschmack bei der Tatsache, dass die Gemeinde nicht in der Lage und nicht bereit ist, solche elementaren Bauunterhaltungen – gerade in einem Zukunftsprojekt wie es eine Kindertagestätte ist – selbst zu finanzieren.

Vorbildhaftes Engagement leisten z.B. genauso die Schwimmbadvereine Jugenheim oder Ober-Beerbach. Auch die Feuerwehrvereine unterstützen mit Spenden die Anschaffung von Feuerwehrrettungsfahrzeugen. Und das zusätzlich zu ihrem ehrenamtlichen zeitintensiven Engagement, das allen Einwohnerinnen und Einwohner der Gemeinde zugute kommt. Genannt werden können auch BUND und NABU, die mit großem Einsatz und Durchhaltevermögen den Beerbach renaturiert und andere Biotope angelegt haben. In vorbildlicher Weise kooperieren sie mit Museumsverein, Landfrauen, Verein Blütenhang u.a.

All diesen Initiativen und den vielen anderen, die ich jetzt nicht aufgezählt habe, möchte ich große Anerkennung und Dank von Seiten der GRÜNEN aussprechen. Zukünftig werden wir noch mehr solches Engagement brauchen, um die Lebensqualität in Seeheim-Jugenheim trotz enger finanzieller Ausstattung der Gemeinde langfristig zu sichern. Nur so kann die Gemeinde die freiwilligen Leistungen auf Dauer erhalten, die die GRÜNEN für die Zukunft und die Lebensqualität in der Gemeinde als sehr wichtig erachten. Wir hoffen, dass diese Vorbilder auch an weiteren Stellen in der Gemeinde Schule machen.

Besondere Ausgaben im Haushalt 2011 sind die Aufwendungen von wenigen Tausend Euro für die Dokumentation der Opfer des Nationalsozialismus in Seeheim-Jugenheim. Eine sehr sinnvolle Ausgabe, um die schrecklichen Taten des Hitler-Regimes den nachfolgenden Generationen als Mahnung zu dokumentieren. Lob möchte ich an dieser Stelle der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit für die außerordentlich gelungenen Veranstaltungen in der Reihe „Wider das Vergessen“ aussprechen.

Ob die Ausgaben von 10 000 Euro zusätzlich zu den bereits 2010 veranschlagten Kosten für das Standortentwicklungskonzept ebenso ihr Geld wert sind, ist noch sehr zweifelhaft. Die Vorgehensweise und die Ergebnisse der CIMA-Verträglichkeitsuntersuchung im Zusammenhang mit der Errichtung der großflächigen Einzelhandelsvorhaben in der Friedrich-Ebert-Straße lassen da große Zweifel aufkommen.

Erfreulich ist, dass die HEAG die Umgestaltung der Straßenbahnhaltestelle Malchen auf Niederflurniveau momentan umsetzt und im Haushalt 40 000 Euro für Anhebung der Haltestelle Neues Rathaus eingeplant sind. Die Anhebung weiterer Haltestellen in den nächsten Jahren, wie es die Gemeindevertretung bereits beschlossen hatte, würde der Gemeindevorstand gerne unter den Tisch fallen lassen. So sah jedenfalls der Haushaltsentwurf aus. Die barrierefreie Umgestaltung der öffentlichen Räume ist nach Meinung der GRÜNEN aber eine dringend erforderliche Investition in die Zukunft. Der Umbau der Haltestellen auf Niederflurniveau ist dafür eine von vielen anderen notwendigen Maßnahmen. Deshalb haben wir beantragt, dass im Investitionsplan auch für die nächsten Jahre Gelder dafür eingeplant werden.

Barrierefreie Haltestellen tragen dem demografischen Wandel Rechnung und werten den ÖPNV für Nutzerinnen und Nutzer aller Generationen auf, von jungen Eltern mit Kinderwagen bis hin zu alten Menschen mit Gehhilfen.

Alle Generationen gemeinsam, das ist das Stichwort für die zukünftige Entwicklung der Gemeinde, das sich nach Meinung der GRÜNEN durch alle politischen Handlungsfelder ziehen muss. Der demografische Wandel und die spezifische Situation Seeheim-Jugenheims mit einem besonders hohen Anteil an Menschen über 60 Jahren erfordern es, Generationen übergreifend zu denken und zu handeln. Der Zunahme der Zahl hochaltriger Menschen muss Rechnung getragen werden. Im Haushalt sind leider keine Mittel oder Konzepte dafür vorgesehen.

Wichtigster Standortfaktor, um junge Familien an die Gemeinde zu binden oder in die Gemeinde zu holen, ist die Qualität der Kinderbetreuung und der Bildungsangebote. Diese Qualität ist zu erhalten, dem Bedarf anzupassen und familienfreundlich weiter zu entwickeln.

Die Schaffung von mehr Ganztagesplätzen im Kindertagesstättenbereich scheint dazu momentan eine vordringliche Aufgabe.

Als richtigen Ansatz betrachten auch wir, die Gebühren für die Kindertagestätten um 10 % zu reduzieren, langfristiges Ziel sollten sogar kostenlose Kinderbetreuungseinrichtungen sein. Leider sehen wir dazu momentan keine finanziellen Möglichkeiten. Vielmehr wollen die GRÜNEN, dass endlich eine soziale Staffelung bei den Kindergartengebühren eingeführt wird. Einkommensschwache Familien sollen eine Ermäßigung erhalten. Eine entsprechende Satzungsänderung ist noch in der parlamentarischen Beratung. Bevor das nicht geklärt ist, wollen wir keine vorschnellen Beschlüsse und werden dem Antrag auf Reduzierung der Kindertagestättengebühren zumindest heute nicht zustimmen.

Generationen übergreifend muss auch im Bereich Bauen und Ortsentwicklung geplant und gehandelt werden. Zukunftsgerichtet ist Flexibilität beim Bauen, eine Orientierung auf verschiedene Lebensphasen. Wir sehen es sehr kritisch, einzelnen Familien durch die Gemeinde verbilligte Bauplätze zu verkaufen und dadurch mit relativ großen Summen zu subventionieren. Können auch Familien mit geringem Einkommen davon profitieren? In der Regel nicht, weil sie gar nicht genügend Eigenkapital für einen Hausbau haben. Wäre sozialer Wohnungsbau vielleicht eine bessere Lösung? Deshalb werden wir dem Antrag „Bauen für junge Familien“ nicht zustimmen.

Alte Konzepte, die nur auf Wachstum zielen, werden den Realitäten nicht mehr gerecht. Erstaunlich mit welcher Hartnäckigkeit die SPD entgegen den Empfehlungen von Fachleuten an einer Bebauung in der Tränk festhält und sie immer wieder von neuem fordert. Der demografische Wandel, Umweltschutz, Verkehrsbelastung und finanzielle Gründe sprechen eindeutig dagegen. Innenentwicklung mit Nutzung von Leer­stand und noch offenen Baulücken, sowie Kreativität, neue Wege zu beschreiten, hat für die GRÜNEN absoluten Vorrang vor einer weiteren Zersiedelung der Landschaft.

Das Einkaufszentrum am Grundweg muss als innerörtliches, zentral und fußläufig gelegenes Nahversorgungszentrum erhalten werden. Der Antrag, dort eine Umgestaltung und dadurch eine Attraktivitätssteigerung anzustoßen, findet unsere volle Zustimmung. Gleichzeitig in der Friedrich-Ebert-Straße bedenkenlos großflächigen Einzelhandel von mehr als 2000 m2 zuzulassen und damit die Existenz vieler Geschäfte am Grundweg zu gefährden, Leerstand und Verödung zu provozieren, ist geradezu paradox. Ein völlig planloses Vorgehen von Seiten des Bürgermeisters und aller anderen Fraktionen.

Ich komme zum Schluss:

Lieber würden die GRÜNEN einen Haushalt ohne Defizit, einen Haushalt mit mehr Gestaltungsspielraum und einen Haushalt mit mehr innovativen Projekten verabschieden. Bei diesem Haushalt kommt unsere Zustimmung einer Pflichtübung gleich, um der Verwaltung wenigstens Handlungsfähigkeit zu ermöglichen.

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